Themen, die bewegen. Marius Schneider präsentiert am deutschen Zentrum für Akademische Reitkunst in Lüdinghausen spannende Themenseminare mit Bent Branderup und weiteren Referenten. Das erste Themenseminar habe ich leider knapp verpasst – dabei ging es am Osterwochenende ja um Rasseunterschiede.

Ich selbst habe eine Trakehnerstute und eine Altösterreicherin- was meinst du zu diesen Rassen? Geeignet für die Reitkunst?

Marius: Die Akademische Reitkunst ist dafür bekannt, dass sie sich jeder Rasse öffnet und auch jede Rasse innerhalb ihrer individuellen Möglichkeiten fördern möchte. Wenn wir über einen Trakehner sprechen, dann ist dies eine der ältesten Reitpferderassen Deutschlands. So verwundert es also nicht, dass ein reinblütig gezüchtetes Pferd, welches bewusst dem Ideal des modernen Reitpferdes entsprechen soll, auch für die Arbeit in der akademischen Reitkunst geeignet sein wird. Dennoch wird der Trakehner aufgrund seines Temperamentes und seines Mutes oftmals in der Vielseitigkeit oder im Springen eingesetzt und weniger in der Reitkunst.

Als Ausbilder kommt man viel herum und lernt viele unterschiedliche Pferderassen kennen. Stimmt es wirklich, dass sich PRE, Lusitanos oder Lipizzaner leichter tun, beim Erlernen der Reitkunst?

Marius: Wie auch beim Menschen, gibt es eben auch bei Pferden körperliche Voraussetzungen, die es ermöglichen ein „Sportler“ zu sein. Natürlich kann man davon ausgehen, dass sich einige Pferderassen, im Hinblick auf die Versammlungsfähigkeit, Tragkraft oder eben die Balance, leichter tun als andere Rassen. Dazu gehören sicherlich die iberischen Rassen wie z.B. das spanische oder portugiesische Pferd aber natürlich auch andere Pferderassen, die dahingehend gezüchtet wurden. Man darf jedoch das deutsche Warmblut nicht verkennen. Die moderne Zucht geht immer mehr dahin, dass der moderne Warmbluttyp viel Versammlungsfähigkeit und gleichzeitig Schwungentwicklung mitbringt. Hier hat sich die Zucht in den letzten Jahren stark verändert.

Als Fazit möchte ich sagen, dass nicht jedes Pferd – als Reitkunstpferd- geboren wird, aber ein jedes Pferd kann die Reitkunst bestens gebrauchen, um ein gutes Reitpferd zu werden.

Meinst du der Weideunfall kann zum Reitkunstpferd werden? Hast du so etwas schon mal erlebt?

Das Kind der Liebe….

Marius: Ich bin der festen Überzeugung, dass ein „Weideunfall“ auch Potenzial zum Reitkunstpferd hat. Seit jeher stand bei züchterischen Entscheidungen die Verwendbarkeit des Pferdes für bestimmte Einsatzgebiete im Vordergrund. So ist auch heute Spezialisierung in der Zucht ein großes Thema, um möglichst gute Reitpferdequalität zu erhalten. Doch die Laune der Natur schafft manchmal auch völlig ungeplante Überraschungen!

Ich besitze selber so eine Überraschung oder wie ich immer gerne sage „Ein Kind der Liebe“. Das Schwierigste an der ganzen Sache ist es, die Qualitäten des vermeintlich untalentierten Zuchtproduktes zu erkennen. Kaufe ich ein rein gezüchtetes Pferd, welches sein z.B. Spring- oder Dressurtalent bereits in seinem Papier verbrieft hat, so wird dies mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch vorhanden sein. Bei unseren Weideunfällen gibt es keine „Planung mit Vorhersagen“. Hier hilft nur das genaue Beobachten auf der Wiese, im Umgang und beim Training.

So war es auch bei meinem Aramis. Denn auch ich besitze eine ungeplante Rasse und das mit sehr viel Freude jeden Tag aufs Neue. Aramis ist ein Scheck – Wallach. Mehr gibt es auch nicht bezüglich seiner Abstammung über ihn zu erzählen. Er kam mit 2 Jahren eher zufällig zu uns und hat uns vom ersten Augenblick an mit seinem Charme um den Finger gewickelt. Er war und ist immer mit ganzem Herzen und vollem Geist beim Menschen. Der Umgang mit ihm macht unglaublich viel Spaß. Im Training ist er immer bemüht und aufmerksam in den Lektionen. Selbst auf der Wiese macht es Freude, ihm in der Herde zuzuschauen, weil er dort ständig für Abwechslung sorgt.

Einst gekauft über einen Tierhändler, bei dem er als zweijähriges Pferd verschüchtert und abgemagert in der Ecke stand, hat er sich heute zu einem meiner besten Bodenarbeitspferde und Schulspringer entwickelt. Sein Geist und Wille stehen über jedem Papier und machen ihn für mich zu einem ganz besonderen Pferd.

Und es gibt noch ein Beispiel:

Brydee ist zwar kein Weideunfall, sondern das Ergebnis einer ganz besonderen Liebesgeschichte, auf einem Schiffstransport von Irland nach Deutschland. Bei uns geboren, wurde sie speziell für den Einsatz als Lehrpferd in der Schule für Reitkunst eingesetzt.

Die Schule der Reitkunst hat sich zum Ziel gesetzt zu zeigen, dass jede Rasse in der Lage ist gut ausgebildet zu werden und fein an den Hilfen zu stehen. Somit kann auch ein Tinker bis in die Hohen Schulen hinein gefördert werden.

Das nächste Themenseminar findet am 21. und 22. Mai 2016 statt und widmet sich der Frage: Vorwärts Abwärts oder Aufrichtung. Was können sich die Teilnehmer hier erwarten? 

Marius: Vorwärts- Abwärts – wer hat diesen Begriff aus der Reitlehre nicht schon oft gehört, wenn es um das korrekte Gymnastizieren des Pferdes geht. Entweder während des eigenen Unterrichtes, in Zeitschriften, bei Fortbildungsseminaren oder beim Plausch mit der Stallgemeinschaft.

Das angestrebte Ziel ist, eine korrekte Dehnungshaltung zu erreichen, bei der sich das Pferd vertrauensvoll an die Reiterhand nach vorwärts-abwärts herandehnt. Dabei soll jedoch ein positiver Spannungsbogen erhalten bleiben. Um das zu erreichen ist Grundvoraussetzung, dass der Reiter das Pferd gefühlvoll vor seinen treibenden Hilfen haben sollte. Ohne eine aktive Hinterhand kann das Pferd, die vom Reiter gewünschte Dehnungshaltung, nicht erreichen. Unser Ziel, das korrekte Aufwölben des Rückens wäre dann verfehlt.

Im Unterschied wird  Aufrichtung? 

Marius: …..als Ziel jeder Dressurarbeit gerne genannt. Dabei trägt das Pferd seinen Kopf und Hals in einer wesentlich höheren Position, als es bei der Dehnungshaltung möglich ist. Für viele eine erstrebenswerte Haltung, die nur durch eine lange Vorarbeit möglich ist. Für andere eine absolute Voraussetzung für pferdegerechte Ausbildung und somit ständige Arbeitshaltung bei täglichem Training.

Doch wie soll „mein“ Pferd seinen Kopf und Hals denn nun genau tragen?

Vorwärts-Abwärts contra/ versus Aufrichtung…

Marius: Das ist eine oft gestellte Frage in Seminaren, die vom Publikum oder den Praxisteilnehmern gestellt wird. Mit gutem Recht, denn kaum ein anderes Thema kann wohl so heiß diskutiert werden, wie die Frage nach der richtigen Anlehnung! Es spaltet komplette Ausbildungsphilosophien. Es schafft Verwirrung oder ist einfach nur die Lösung vieler Probleme! Doch wer hat denn nun eigentlich Recht?

Und was braucht vor allem mein Pferd, damit ich es nicht ungerecht behandele? Vorwärts- Abwärts gilt als unanfechtbare Haltung zu Beginn der Ausbildung und die Aufrichtung ist erklärtes Ziel.
Doch ist es wirklich das Ziel der Ausbildung oder notwendige Grundvoraussetzung, um eine perfekte Selbsthaltung zu erarbeiten? Benötige ich überhaupt ein Vorwärts- Abwärts um Aufzurichten oder mache ich es meinem Pferd nur unnötig schwer, wenn es zuerst den Weg in die Tiefe lernt, um am Ende doch bei der Aufrichtung zu enden?

Auf viele dieser Fragen versuchen wir in unserem kommenden Themenseminar eine befriedigende Antwort zu erhalten und damit etwas mehr Klarheit in unsere Arbeit zu bringen. Dazu haben wir zwei Dozenten aus den verschiedenen Fachrichtungen eingeladen, die ein absolut interessantes Wochenende versprechen.

Christin Krischke. Sie ist die Stimme der Fürstlichen Hofreitschule, als Moderatorin in den Vorführungen und Seminaren. „Nur wer die Vergangenheit kennt, hat eine Zukunft“ wird der preußische Universalgelehrte Wilhelm von Humboldt gerne von der Fürstlichen Hofreitschule in Bückeburg zitiert. Als Referentin, Buchautorin und internationale Ausbilderin trägt sie die Erkenntnisse, aus 25 Jahren Historienforschung und experimenteller Archäologie im Sattel, in die Reiterwelt.

Bent Branderup.  Gründer und Großmeister der Akademischen Reitkunst. Der mehrfach Buchautor und internationale Ausbilder ist in Dänemark geboren. Seine große Leidenschaft von Kindesbeinen an ist die Erforschung und das Verständnis der alten Reitmeister. Auslandsaufenthalte in Island, Ungarn, Spanien, Portugal und Deutschland prägten seine frühe reiterliche Entwicklung. Er war Schüler der Escuela Andaluza del Arte Equestre in Jerez de la Frontera und lernte dort die Reitkunst bei Don Javier Gracia Romero. Nach Ausbildung/Examen suchte er noch weitere große Meister der klassischen Reitkunst auf, wie z.B. Salvador Sanchez, Nuno Oliveira und Egon von Neindorff.

 Marius, vielen Dank für dieses spannende Gespräch und einen kleinen Vorgeschmack auf euer nächstes Themenseminar – ich bin mir sicher, nicht nur ich habe riesig „Hunger“ oder besser gesagt Vorfreude darauf bekommen!

 

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