Ein Sattel, der den Reitersitz schult? Ja gibt es denn sowas? Ein paar Tage im Test mit dem Schulungssattel von Bent Branderup zeigen – ja den gibt es – aber man muss nicht nur den Körper, sondern auch ein wenig seine grauen Zellen bemühen.

Der Testsattel kommt

Als ich das Paket mit dem Testsattel entgegen nehme, ist die Freude schon mal groß. Das Paket ist leicht. Als ich den Sattel auspacke, muss ich noch einmal staunen wegen der Form. Der Sattel ist noch relativ flach (logisch, saß ja auch noch nie jemand drauf), die Lederqualität fühlt sich angenehm weich und hochwertig an. Zusätzlich zum Sattel hat mir Ralf Schmitt von Barock Flair noch eine kleine Kiste Wolle mitgeschickt. Dazu aber später noch mehr. Die Optik macht mich zu Beginn noch – auch wenn sich das Leder beim Abtasten sehr angenehm anfühlt – skeptisch. Der Sattel wirkt sehr klein, insgesamt ist da nicht „viel da“. Ich kann mir noch nicht ganz vorstellen, wie dieses kleine Lederteil so exorbitant auf den Sitz wirken soll. Empfehlungen habe ich schon einige von den Kollegen gehört. Jetzt will ich es aber selber wissen. Ich bin auch insofern skeptisch, wer meinen aktuellen Beitrag zur Ausgabe rund um das Thema „Sattel“ in den Feinen Hilfen vielleicht gelesen hat, der weiß – ich halte nicht viel von der Idee, einen magischen Sattel zur Lösung aller reiterlichen Sitzprobleme zu erfinden. Sitzprothesen gibt es quasi schon zur Genüge, die Geschmeidigkeit und Einfühlsamkeit, die ein guter und funktionaler Sitz jedoch braucht, können sie aber selten fördern und unterstützen.

Die Baustelle Sitz

Der Sitz des Reiters ist eine abendfüllende Thematik. Wir Reiter können uns stundenlang darüber austauschen, über die Defizite unseres Sitzes, über die Tatsache, dass der Körper manchmal nicht so ganz will, wie unser Geist. Über das Phänomen einer gewissen Bewegungslegasthenie. Dabei träumen wir doch nur von einer Sache. Wir träumen davon, mit dem Pferd eins zu werden. Wir träumen davon, so zu reiten, wie es Antoine de Pluvinel, der Ecuyer des französischen Königs, Ludwig dem XIII, seinem Schützling empfohlen hatte: das Pferd nur aus der Hüfte heraus zu dirigieren.

Ja, Können, vor Lachen, denken sich da viele Reiter, die bemerken, dass ihr Pad sie relativ breitbeinig auf das Pferd setzt. Die Hüftgelenke werden dabei quasi bis zum Anschlag auseinander gezogen. Der Reiter kippt nach hinten in einen Stuhlsitz oder wird gezwungen, sich nach vorne in Richtung Schambein zu neigen. Von einer angenehmen Stabilität bleibt nicht viel übrig, wenn der Reiter entweder ins Hohlkreiz oder in einen Katzenbuckel verfällt.

Ein ganz wichtiger Schlüsselpunkt für den korrekten Sitz ist somit die menschliche Hüfte.

Warum Bent Branderup den Schulungssattel entwickelt hat

Um dem Sitz mehr Nähe, mehr Gefühl und vor allem noch mehr Bewegungsfreiheit zu geben, suchte Bent Branderup nach einem speziellen Werkzeug zur Unterstützung der primären Hilfengebung – und fand es im Schulungssattel. Bent Branderup hat sich über viele Jahre mit dem Gedanken gespielt, zusätzlich zu seinem Sattel ein Pad zu entwickeln.

Schlicht und flexibel wie ein Reitpad hat der Schulungssattel nun die Eleganz und Ausstattung eines Sattels mit Sattelkissen und variablem Sitzpolster.

Wolle und die Sache mit dem individuellen Sitz

Was den Schulungssattel von Bent Branderup so speziell macht? Beim Schulungssattel kann man selbst sowohl die Sattelkissen, als auch die Sitzeinlage verändern und kommt so zu einem entspannten und ausbalancierten Sitz.

Wie schon eingangs erwähnt, bekam ich eine kleine Kiste voller Wolle. Diese Wolle ist übriges die gleiche Wolle, die für den Bent Branderup ® Sattel by Stübben verwendet wird.

Neigt der Reiter dazu, sein Becken nach vorne zu kippen, dabei also ins Hohlkreuz zu fallen, kann einfach mehr Wolle im vorderen Bereich unter das Schambein gelegt werden, um die Balance des Beckens wieder herzustellen.

Das funktioniert ganz einfach – am Ende der Sitzfläche kann man den Sattel leicht per Klettverschluss öffnen. In meinem Schulungssattel waren zwei Filzeinlagen direkt unter der Sitzfläche. Je nach Belieben kann man die Filzeinlagen von zwei auf ein Stück minimieren, oder wenn man eben mehr Unterstützung braucht zwischen den zwei Filzeinlagen dann die Wolle hinein stopfen.

Das klappt natürlich auch, wenn der Reiter zum Buckel neigt und das Becken zu stark nach hinten kippt. Dann wird empfohlen, dem Sattel mehr Wolle im hinteren Bereich zu geben. Hier war ein guter Tipp von Ralf Schmitt die eigenen Sitzbeinknochen zu markieren (Beispielsweise den Abdruck mit farblichen Stickern) um so direkt unter den Gesäßknochen die Balance wieder herzustellen.

Der erste Testritt

Für meinen ersten Testritt habe ich Fuchsstute Tabby gesattelt. Tabby ist sehr empfindlich was Druck auf der Haut angeht. Sie ist auch super kitzelig und quittiert Sitzfehler von mir gerne mal mit einem deutlichen Kommentar. Das kann leider auch Zähneknirschen sein.

Schon beim Platznehmen im Sattel kann ich den ersten Effekt erfühlen. Ich habe nicht das Gefühl breit auf dem Pferd zu sitzen, aber ich kann ein ganz deutliches Dreieck zwischen meinen beiden Sitzbeinknochen und dem Schambein erfühlen. Ralf gab mir den Tipp als allererstes darauf zu achten, ob Sitzbeinknochen und Schambein im Lot sind. Das sind sie. Ich bin wirklich sehr gut am Sattel platziert. Also reite ich los.

Im Schritt kann ich spüren, wie der Rückenschwung deutlich durch das gesamte Pferd fließt. Ich fühle mich, obwohl so wenig Leder rund um mich ist gut aufgehoben, Tabby ist fleissig und schreitet auf einem großen Zirkel dahin. Sie schnaubt auch sehr prompt ab, streckt sich zu meiner nachgiebigen Hand hin und lässt sich wieder sehr fein aufnehmen. Ich bin sehr angetan, sitze ich mit einer Unterlage, einem Pad, Fellsattel oder ähnlichem zu nahe an Tabby, weiß ich, dass sie sich bei dieser Übung gerne verhält. Das Dehnen gelingt dann noch ganz gut, wenn ich aber wieder Aufnehme und im Sitz meinen Schwerpunkt etwas mehr in Richtung Tabbys innerer Hüfte verlagere „verhungert“ gerne der Fleiß aus der Hinterhand. Heute ist das nicht so. Wir fühlen uns beide im Schritt sehr wohl. Tabbys große Herausforderung ist die Stabilisierung ihrer Bewegungen aus der Hüfte heraus. Von Natur aus sehr breitbeinig, schwankt sie gerne in der Hüfte und in den Knien, die Gelenke bekommen dann im schlimmsten Fall einen unschönen „Drehmoment“. Seitengänge und Geraderichten sind daher unser tägliches Brot, aber nicht in jedem Sattel lässt sich mein Wunsch an das jeweilige Hinterbein gerichtet korrekt und sauber übertragen. Gerade mit dem rechten Hinterbein hatten wir in letzter Zeit im Kruppeherein auf der Linken Hand so unserer Schwierigkeiten. Heute an diesem ersten Testtag funktioniert alles einwandfrei. Der Rückenschwung bleibt nirgends stecken, wir haben ein flüssiges und gutes Vorwärts, egal ob ich Kruppeherein mit etwas Versammlung oder in Dehnungshaltung abfrage. Gleiches gilt für das Schulterherein. Ich lobe und freue mich, danach wage ich mich an den Trab.

Im Trab zeigt Tabby, was sie kann: Sie „schmeißt ihre Beine“. Ich bin von so viel Schwung überrascht und hätte gedacht, dass ich auch hier unsere altbekannte Baustelle erlebe: ein Pad, das mich zwar nahe ans Pferd bringt, übt so viel Druck aus, dass der Rückenschwung stecken bleibt. Heute ist dies eindeutig nicht der Fall. Ich habe die ersten zwei Runden ehrlicherweise Mühe, zum Sitzen zu kommen. Rasch gewöhne ich mich aber an die großen Schwingungen aus dem Rücken und versuche auch hier mit dem Schwerpunkt zu spielen. Vorlassen – aufnehmen – etwas versammeln. Klappt alles sehr gut, ich sitze gut, fühle mich sehr zentriert und stelle fest, dass meine Beine optimal platziert sind.

Eine angeborene Fehlstellung an den Hufen macht Tabby leider seit Herbst das Leben schwer. Daher ist der Galopp derzeit nur dran, wenn sie mag und kann. Mit dem Schulungssattel lässt sie sich am ersten Testtag auch auf einen Testgalopp ein. Ihr Urteil ist für mich eigentlich das Wichtigste: Tabby schnaubt zufrieden, läuft flüssig vorwärts. In erster Linie freut mich ihr positives Feedback am meisten.

Ich habe mich im Schulungssattel so wohl gefühlt, dass ich Ralf noch am selben Tage anrufe und den Sattel kaufe. Eigentlich war das so überhaupt nicht mein Plan. Eigentlich bin ich mit zwei Baumsätteln, zwei Filzsätteln, Fellsätteln usw. mehr als gut ausgestattet, aber der Schulungssattel besticht durch seinen Komfort und das angenehme Sitzgefühl. ich werde deutlich besser in diesem Pad platziert, als in allen anderen zuvor ausprobierten Pads. Außerdem erinnert das Sitzgefühl sehr stark an den Branderup Sattel by Stübben.

 

In den folgenden Tagen kann ich den positiven Effekt auf den Sitz auch bei einigen meiner Schüler verfolgen. Auch hier: Begeisterung bei Mensch und Pferd.

Mir ging es vermutlich beim Auspacken des Sattels, wie vielen, die die Bilder gesehen haben. Wenig Leder, ein kleines Pad, leicht vom Gewicht – wie soll das den Sitz unterstützen? In den folgenden Testtagen wurde ich wirklich umgestimmt. Der Schulungssattel ist auch kein magischer Sattel, der Reiter muss schon auch selbst gewillt sein, an seinem Sitz zu arbeiten. Aber er kann ein wirklich gutes Werkzeug sein, den Sitz des Reiters individuell zu arbeiten, den Sattel individuell an den Reiter anzupassen und so eine Verbesserung des funktionalen Sitzes zu forcieren.

Wer neugierig geworden ist, dem empfehle ich ganz einfach Ralf Schmitt für einen Proberitt auf einem Schulungssattel per Mail zu kontaktieren.

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Und das sagten meine Schüler zum Sattel:

Julia auf Vollblutwallach „Moon“:

Ich durfte den Schulungssattel schon bei einigen Ritte testen und bin restlos begeistert. Er ist individuell anpassbar und vermittelt ein angenehmes Sitzgefühl. Das Bein fällt locker, lang und entspannt aus der Hüfte heraus. Weiteres vermittelt der Schulungssattel für mich ein angenehmes Gefühl von Balance. Man sitzt weich und komfortabel, spürt aber dennoch die Bewegungen des Pferdes sehr gut durch. Auch mein Pferd war von Anfang an begeistert und zufrieden. Dass ihm der Schulungssattel gefiel bestätigte er mir gleich zu Beginn mit häufigen Abschnauben. Der Schulungssattel besticht nicht nur durch sein Fähigkeit, den Reiter korrekt zu platzieren, sondern auch optisch durch seine sehr schöne Verarbeitung. Für mich steht fest, ein absolutes MUST-HAVE.

Susanna auf Isländer „Sleipnir“:

Sinnvoll ist der Schulungssattel nicht nur für Reiter, sondern auch für Trainer, da er eine wichtige Unterstützung bei der Sitzkorrektur ist. Dem Schüler vermittelt der Sattel das Gefühl des korrekten Sitzes im horizontalem Gleichgewicht zum Pferd. Da er aber preislich nicht gerade günstig ist, kann ich mir vorstellen, dass einige dieses Geld lieber in einen vollwertigen Sattel stecken möchten, anstatt in ein Pad.

Nichtsdestotrotz vermittelt der Sattel Gleichgewicht im Becken, welches man selbst bei der Fortbewegung einnimmt. Man hat das Gefühl, mit der Bewegung des Pferdes mitzugehen. Jeden Schritt, den das Pferd macht, macht man selbst. Man sitzt also nicht „still“ und folgt der Bewegung passiv, sondern man läuft sozusagen mit.

Dies scheint vor allem deshalb zu geschehen, da das Bein Platz hat, gerade hinunter zu fallen. Durch die reduzierte Polsterung im Oberschenkelbereich ist es nicht gestört, zudem hält der Verlauf des Kissens, der dem Gefühl von Pauschen nicht unähnlich ist das Bein lang. Manchmal hab ich doch den Eindruck, dass meine Oberschenkel mir im  Weg stehen, das ist bei diesem Sattel nicht der Fall, und so können sich Schambein und Hüfthöcker in Waage halten.

Da das Testmodell anfangs für meinen Geschmack zu viel Wollfilz enthielt und natürlich neu und nicht eingesessen war, saß ich zu Beginn auf dem Sattel und nicht im Sattel.

Leider konnte ich durch mein fürchterliches Zeitmanagement das Pad nicht umgepolstert testen. Dies wird aber sicherlich noch passieren – vor allem da das Pad optimal auf einen geraden Pferderücken passte, mein Kurz-Schwung-Rücken Isländer benötigt hier noch einmal eine genaue Anpassung. Wir werden also weiter testen.

Johanna auf Warmblut „Concerto“:

Sehr skeptisch war ich, als ich den Schulungssattel auf Fotos, aber besonders als ich ihn das ersten Mal live gesehen habe. Anna hat meinen bedenklichen Blick gesehen und mich kurz auf mit dem Testsattel auf ihre Stute setzen lassen. Und entgegen meiner Zweifel – es war wirklich bequem und ganz und gar nicht so, wie man sich ihn vorstellt. Letzten Freitag hatte ich dann eine Stunde mit Anna und dem Schulungssattel und meinem Wallach Concerto. Doch diesmal hat er irgendwie gedrückt. Anna hat daraufhin etwas Material in den Sattel gestopft und tada – er war so bequem wie ich ihn in Erinnerung hatte. Der Sattel war zuvor bei einem Testritt für Julia und Moon geändert worden. Schon bei den ersten Schritten bemerkte ich, wie wohl sich mein Pferd fühlt. Er ging äußerst entspannt und nahm von sich aus eine sehr gute Haltung ein, zudem reagierte er wirklich gut auf meine Hilfen. Durch den Sattel wird man in einen sehr guten Sitz gebracht ohne das Gefühl zu haben, sich irgendwie verrenken zu müssen. Entgegen meinen Erwartungen sitzt man auch sehr sicher.

Ich bemerkte auch, dass ich durch den vielen Platz, den mir mein eigentlicher Sattel bietet, mich bei der Hilfengebung oft viel zu sehr „verbiege“ und verdrehe.
Äußerst zufrieden konnte ich diese Einheit beenden.

Vielen Dank an meine Schüler auch für ihr Feedback – wir werden natürlich weiterhin dran bleiben und laufend berichten! 🙂