Crossover? Was ist das eigentlich? Der Begriff taucht jüngst vermehrt in der Akademischen Reitkunst auf Kursen, in Foren und in Videos immer wieder mal auf. Was Crossover bedeutet und wie es erarbeitet wird – darüber hat sich Simone Garnreiter ein paar Gedanken gemacht und einen Gastartikel geschrieben:

Was ist der Crossover? 

„Das Pferd in fließenden Übergängen aus allen Führpositionen in allen lösenden und versammelnden Lektionen zu arbeiten“.

In der praktischen Umsetzung ist es eine Kunst, an der man durchaus lang feilen kann. Man wird jedoch reich belohnt, wenn man spürt wie beispielsweise Paraden aus allen Positionen rund um das Pferd auf verschiedene Weisen gegeben werden können und man durch die richtige Wahl der Position am Pferd eine bessere Umsetzung der Parade im Pferdekörper ermöglichen kann.

Die Akademische Reitkunst bietet unzählige Möglichkeiten der Ausbildung von Pferd und Reiter am Boden.
Man muss nicht immer reiten um sich und das Pferd Stück für Stück weiter zu entwickeln. So können sich auch Pferde, die ein wenig zu klein sind für ihren Reiter zu gut ausgebildeten feinen Handarbeitspferden entwickeln. Die Arbeit am Boden eignet sich für alle Pferde jeden Alters und schult sowohl den Menschen als auch das Pferd in der Körperwahrnehmung und Körperbeherrschung. Sie leistet somit einen wichtigen Beitrag zur Geraderichtung des Pferdes.

Balance, Geschmeidigkeit und eine feine Hilfengebung am Boden zu erarbeiten ist in der Akademischen Reitkunst ein breit gefächertes Aufgabenspektrum. Das interessante an der Akademischen Reitkunst am Boden ist, mit wie wenig Equipment man auch hohe Lektionen erarbeiten kann wenn die Kommunikation mit dem Partner Pferd passt. Eine Verwendung von Hilfszügeln erübrigt sich (wie das übrigens generell in der Akademischen Reitkunst üblich ist), für Crossover Groundwork genügt ein Kappzaum, ein Zügel oder Bodenarbeitsseil, eine Gerte, ein Mensch und ein Pferd. Dann ist alles möglich und die Arbeit am Boden erhebt sich zur Kunstform. Das Schöne bei der Arbeit am Boden ist: Man lernt stetig dazu und bleibt im wahrsten Sinne des Wortes zwar auf dem Boden aber niemals in seiner Entwicklung im Stillstand.

Welche Positionen gibt es im CROSSOVER?

Groundwork Position

In der Groundwork Position bezieht der Reiter Position vor dem Pferd und läuft rückwärts. Das Pferd kommt auf den Reiter zu. Diese Führposition ist verwahrend und ermöglicht über den Kappzaum eine Einwirkung auf den Pferdekopf. Die Körpersprache übernimmt die Paraden und das Führen der  Schultern. Die Gerte kann genau dort eingesetzt werden, wo sie gerade benötigt wird; vorwiegend und in der Basisausbildung dient die Gerte als innerer Zügel und innerer Schenkel. Die Verwendung der Gerte als äußerer Zügel und äußerer Schenkel wird für Traversalen und Wendungen benötigt.

In dieser Position wird vorwiegend im Stehen und Schritt gearbeitet. Eine Formgebung im Stehen kann einfach in die Bewegung übernommen werden. Die wichtigsten Basis-Übungen in der Groundwork Position sind: Stellung/Biegung im Stand und in der Bewegung, Untertreten, Schulterherein, Kruppeherein und das gebogene Gerade. Ein Vorteil dieser Führposition:  der Mensch hat das Pferd im Blick und kann so Bewegungsabläufe beobachten und lernen seine Hilfen dementsprechend zu koordinieren. Die Herausforderung liegt vor allem zu Beginn im oftmals noch unkoordinierten Rückwärtslaufen des Menschen.

Ein Nachteil ist sicher (so lange das Pferd nicht versammelt ist) die Reduzierung der Gangarten auf den Schritt, da rückwärts laufend eine Arbeit im Trab oder Galopp nicht für jedes Pferd –Mensch Paar so einfach machbar ist.

Handwork Position

 Man unterscheidet zwischen zweihändiger (Zügelarbeit, teils auch mit Gebiss) und einhändiger Handarbeit. Die Voraussetzung ist ein grundlegendes Verständnis der Hilfengebung, das heisst der Mensch muss wissen welche Hilfe mit dem Körper, der Gerte oder dem Zügel im akuten Fall gerade zu Rate gezogen sollte – das Pferd muss die Hilfe freilich annehmen. In der Handwork Position geht es vor allem um Empathie und die Einfühlung des Reiters in das Pferd über die Verbindung mit dem Zügel. Das bedeutet klare Info-aufnahme und Abgabe.

Das Pferd wird auf Schulterhöhe von innen oder von außen geführt. Das Pferd wird mit dem Körper geführt, dieser wirkt somit als innerer Zügel, und das Pferd kann gleichzeitig zur Hand hin suchen. Die Gerte kann unterstützend einwirken als innerer und äußerer Schenkel, aber auch als äußerer Zügel bei der einhändigen Handarbeit. In der Handwork Position werden zu den Seitengängen (Schulterherein, Kruppeherein, Travers, Renvers) die versammelnden Lektionen (Schulgangarten, Piaffe, Passage, Levade) geschult. Als Vorteil der Handarbeit ist die genaue Bearbeitung des Genicks zu sehen. In der Handarbeit kann mit zunehmender Versammlungsfähigkeit in allen Gangarten gearbeitet werden. Die große Herausforderung ist die Beherrschung des eigenen Körpers um dem Pferd die nötige Führung geben zu können. Letztlich geht es um Führen können (Mensch) und sich führen lassen (Pferd).

Lungeing Position

In der Lungeing Position führt der Mensch das Pferd auf Höhe des inneren Schenkels, der Schwierigkeitsgrad erhöht sich mit der Distanz zum Pferd Stück für Stück.

So lässt man sich anfangs von der Handwork Position einfach ein wenig zurückfallen und begleitet das Pferd auf einem zur Bewegung des Pferdes passend groß gewählten Zirkel. In der Akademischen Reitkunst stehen wir nicht in der Mitte, sondern bewegen uns gemeinsam mit dem Pferd auf einer Kreislinie, wir befinden uns dort wo uns das Pferd braucht. Das Pferd lernt so, wie es sich gesund auf einem Kreisbogen bewegen kann. Nur dann ist es dem Pferd möglich, seinen Körper gleichmäßig zu belasten, locker über den gesamten Rücken durch zu schwingen, die innere Schulter effektiv zu entlasten und die Hinterhand vermehrt zu aktivieren. Die Arbeit an der Longe ist ein wichtiger Beitrag dazu, die Schiefe des Pferdes zu korrigieren, ihm zu mentaler Entspannung zu verhelfen und ihm ohne den Einsatz von Hilfszügeln eine gesunde Körperhaltung zu vermitteln. In der Basisarbeit werden die drei Grundgangarten, Losgelassenheit und natürliche Formgebung geschult. Paraden können mit dem Körper oder mit der Longe gegeben werden. Die Distanz zum Pferd wird so gewählt, daß eine effektive Hilfengebung möglich ist, sprich der Mensch befindet sich dort wo er das Pferd mit seinen Hilfen erreichen kann. Die Gerte kann einwirken als innerer Schenkel, um das innere Hinterbein zu aktivieren oder als innerer Zügel die Schulter verschieben. Ist das Pferd sicher  an den inneren Hilfen, haben wir im Advanced Lungeing die Möglichkeit aktiv auf die Geraderichtung des Pferdes einzuwirken indem auch äußere Hilfen aus der Longeing Position gegeben werden können. Das heißt, Lösende und Versammelnde Hilfen können von dieser Position umgesetzt werden. Diese Einwirkung ermöglicht es dem Longeur die Vorderhand auf die Hinterhand auszurichten und vice verso. So werden alle in der Groundwork erabeiteten Lektionen nun auch aus Distanz zum Pferd machbar. Neben den Seitengängen sind im Advanced Lungeing auch alle versammelnden Lektionen möglich. Der Vorteil der Lungeing Position ist auch die Arbeit in allen Gangarten, vielleicht sind anfangs nicht alle Gänge perfekt, aber mit steigender Balance auf dem Zirkel werden sie es durch Übung werden.

Long Rein Position

Das Führen des Pferdes auf Höhe der Hinterhand, die Longe wird im Crossover zum einteiligen Langzügel, die Hand kann als direkter Zügel das Genick beeinflussen, oder am Hals als indirekter Zügel einwirken. Die Gerte kann als äußerer Zügel oder äußerer Schenkel eingesetzt werden, je nachdem welche Hilfe benötigt wird um auf das Pferd einzuwirken. Man unterscheidet zwischen der inneren Position auf Höhe der inneren Hüfte, mittig hinter dem Pferd und der äußeren Position auf Höhe der äußeren Hüfte. Die Basis für die Langzügelarbeit in der Akademischen Reitkunst bieten Groundwork, Handwork und Lungeing/Advanced Lungeing. Nur wenn diese Basics wirklich gründlich erarbeitet wurden ist die Langzügelarbeit das geeignete Tool die Arbeit mit dem gut geschulten und am Boden vorbereiteten Pferd zu vervollständigen. Die Langzügelarbeit ermöglicht es den Rahmen um das Pferd komplett zu machen. Zu Recht gilt die Langzügelarbeit als Königsklasse der Arbeit am Boden, da direkt an der Hinterhand zu arbeiten auch die Gefahr birgt von eben dieser durch unsachgemäße Vorgehensweise getroffen zu werden. So ist eine Loslösung der Langzügelarbeit aus dem Portfolio der Akademischen Reitkunst undenkbar, da ein Pferd ohne eine Schulung der akademischen Hilfengebung am Boden diese Form der Langzügelarbeit nicht dementsprechend verstehen kann. Der Vorteil: man hat alles im Blick von hinten und kann direkt auf die Hinterhand des Pferdes einwirken.

Wie fange ich mit CROSSOVER an?

Man kann bereits das junge Pferd in der Grundausbildung an die fließenden Übergänge von Groundwork zu Handwork oder Handwork zu Lungeing gewöhnen.

Dies ist natürlich abhängig von der körperlichen und mentalen Veranlagung des Pferdes, aber einfache Übergänge vom Führen zum Longieren sind auch in der Basisarbeit schon ein Ausbildungsthema. Die Gewöhnung an die Long Rein Position sollte allerdings behutsam am besten erst nach erfolgter Basisausbildung in den anderen Positionen und zuerst im Stehen erfolgen, etwas zu viel Druck an der Hinterhand kann das junge ungeschulte Pferd durchaus fehlinterpretieren.

Wozu CROSSOVER?

Der größte Gewinn im Crossover ist die Fähigkeit zu schnellen und gezielten Wechseln der Führpositionen mit dem Ziel dem Pferd genauere Hilfen an einer anderen Stelle geben zu können, um den jeweiligen Zustand der Balance positiv zu beeinflussen. Jede der einzelnen Positionen kann ihren Vorteil somit genau dort zur Geltung bringen, wo man eben Hilfe und Unterstützung braucht. Vor, neben, innen, außen oder hinter dem Pferd. Durch den fließenden und direkten Wechsel der Positionen im Crossover, ohne dabei Zügel, Longe oder Zügel umzuschnallen kann passend für jede Lektion oder dem jeweiligen Ausbildungsstand entsprechend die jeweils optimale Position eingenommen werden.

Und in der Umsetzung?

Vielen Dank für diesen Beitrag an Simone Garnreiter. Eine Foto Übersicht über alle Positionen gibt es auf Simones Facebook Seite zum Anschauen. In Bewegung gesetzt poste ich euch noch gerne ein Video von Marius Schneider zum Artikel:

 

Arbeiten wir im Crossover, dann Reiten wir später Einfach 😉