Systematik, Reihenfolge, Logischer Aufbau. Der Mensch trachtet immer gerne nach einem System, um Schritt für Schritt zum Erfolg zu kommen. Egal ob Möbel nach Anleitung, Fitnesstraining oder Selbstverwirklichung – Skalen machen Menschen glücklich. Pferde auch?

Erst vor kurzem habe ich einen Artikel für die „Feinen Hilfen“, Ausgabe Oktober/ November bezüglich der Skala der Ausbildung verfasst und was denn die „Alten Meister“ dazu sagen würden. Beim Studium – vor allem aktueller Literatur ist mir aufgefallen: Viel Info und Gedanken werden für die „Einschulung“ verwendet, die wichtigsten „Basics“ aus dem Pferdekindergarten werden häufig entweder schon vorausgesetzt, oder unter den Tisch gekehrt.

„Was früher Selbstverständlichkeit hieß, heißt heute Horsemanship.“ (Bent Branderup)

Vor Stellung und Biegung liegt die Selbstverständlichkeit

Wenn wir Geist und Körper unseres Pferdes schulen möchten, dann sollten wir unbedingt mit dem Geist beginnen. Schließlich möchten wir ja ein Pferd, das seine Zeit gerne mit uns verbringt und sich mit uns gemeinsam über Erlerntes und Fortschritte freut. Wie wichtig das Wollen, Motivation und ein wacher Geist beim Lernen sind, ist uns deutlich klar, wenn wir an unsere eigene Schulzeit zurückdenken, oder vielleicht in den Schulalltag eintauchen: Sympathie war und ist eine Sache, die uns leichter lernen lässt.

Hutschigu oder der Ernst des Lebens?

Man kann viele Artikel, Bücher und Infos über Horsemanship-Systeme erkunden. Es gibt auch irrsinnig viel zum Thema „Positive Bestärkung“. Und es gibt auch viel zum Thema „Pro und Contra“ beide Richtungen betreffend. Ich persönlich ziehe es vor meine Pferde positiv zu bekräftigen, wenn sie etwas besonders gut gemacht haben, kreativ an neue Aufgaben herangehen und mir zuhören. Das kann „ausrasten vor Freude sein“ (es muss aber von meiner Seite echt so gemeint sein) oder ein beliebtes Leckerli.

Was ist aber nun das Optimum für mich als Pädagoge meines Pferdes?

Eine gute Beziehung. Wie oft SIND wir einfach mit dem Pferd? Wie oft WOLLEN wir schon etwas von unserem Pferd? Und: Fühlen wir uns jetzt ertappt, wenn wir quasi einfach davon ausgegangen sind, dass die Beziehung zu dem Pferd einfach existiert? Wir entscheiden uns für ein bestimmtes Pferd, kaufen es und fühlen uns bereits verbunden. Aber wie geht es dem Pferd damit?

Was will ich eigentlich vom Pferd?

Die einen möchten einfach eine gute Zeit mit dem Pferd verbringen, die anderen träumen von langen Ausritten im Wald und der nächste wünscht sich einmal im Leben eine Piaffe zu entwickeln. Spontan gefragt reagieren die meisten Reiter mit dem Wunsch nach einer bestimmten Aktion oder Handlung. Was wünschen wir aber von der Beziehung mit dem Pferd?

  • Vertrauen?
  • Kontrolle?
  • Akzaptanz?
  • Sympathie?
  • Entspannung?
  • Freundschaft?

Und: Wir als Menschen beschließen ja, dass WIR eine gute Zeit mit den Pferden verbringen möchten, aber hat eigentlich auch jemand unsere Pferde gefragt, ob sie mit uns zusammen sein möchten?

Faktor Zeit

Wir haben Zeit. Wer also in die Qualitiy Time vor der Reitausbildung investiert hat später weniger Probleme. Dazu gehört eben den Fokus weg von der Technik zu schieben, sondern zu Geist, Gedanken, Gefühlen und der Persönlichkeit unseres Pferdes.

So könnten wir uns die Frage stellen, welche Stärken und Schwächen bringt das Pferd geistig mit? Wenn wir unser Pferd überzeugen, dass die Arbeit, das Zusammenarbeit mit uns Freude bereitet, dann können wir auch später leichter den Pferdekörper formen und entwickeln. Lernen wir unserem Pferd zuzuhören. Für die Entwicklung von Beziehung brauchen wir nicht unbedingt eine bestimmte Methode, Achtsamkeit und die Bereitschaft sich auf das Pferd einzulassen sind der erste Schritt.

Und was ist nun selbstverständlich?

Eine häufig gestellte Frage auf den Kursen ist jene nach der Jungpferdeausbildung. Womit wir wieder beim Wunsch wären, sämtliche Schritte in der Ausbildung abzubilden. Die Antwort unserer Referenten?

    • Sich Zeit nehmen für das Pferd, gegenseitiges Kennenlernen steht im Vordergrund.
    • In diesem Video erzählt Bent Branderup seinen Zugang zu seinem „Youngster“ Dorardo.

    • Das Pferd soll lernen, sich überall anfassen zu lassen
    • Das Pferd soll lernen unangebunden stehen zu bleiben, während es geputzt wird
    • Das Pferd soll lernen willig seine Hufe zu geben
    • Das Pferd soll lernen die menschliche Körpersprache zu lesen
    • Führtraining: Dabei lernt das Pferd mit dem Menschen mitzugehen, ganz egal ob der Mensch rückwärts läuft, oder seitlich neben dem Pferd.
    • Hier habe ich ein Video von Jossy Reynvoet gefunden, das die Frage, was denn vor Stellung und Biegung kommt, sehr anschaulich beantwortet.

Je besser das junge Pferd in Punkto zuhören, folgen, Vertrauen und Beziehung bereits geschult ist, umso einfacher reiten wir später. Lassen wir uns Zeit, schließen wir die Arbeit immer mit einem Lob ab. Noch besser: lassen wir es nicht wie Arbeit aussehen, wenn wir unseren Pferden Aufgaben stellen, die leicht zu lösen sind und erst so die Anforderungen steigern.

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