Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne…so schreibt Hermann Hesse in seinem Gedicht „Stufen“.

Wahrlich, jedem Anfang wohnt ein Zauber inne. So zauberhaft zufällig ich doch über meinen kleinen Conversano Aquileja (sagen wir der Einfachheit halber doch „Konrad“) gestolpert bin, so zauberhaft werde ich immer wieder überrascht – vor allem wenn ich über die Stufen der Ausbildung nachdenke.

Überraschungen

Ich habe schon viele kitschige Pferdegeschichten gehört und als eher pragmatischer Typ wollte ich hier nicht dazu gehören.
Nun gut, ich gehöre dazu….Was soll ich sagen, es fühlt sich an, als würde ich meinen kleinen Lipizzaner (der übrigens beschlossen hat noch ganz ordentlich zu wachsen) schon ewig kennen.

Die Inputs der Alten Meister, was das Thema Jungpferdeausbildung anbelangt habe ich noch ganz im Gedächtnis. Sehr deutlich den Herrn de la Guérinière, der überhaupt rät, ein Pferd recht spät „abzurichten“ – nämlich „je nach den klimatischen Aufzuchtbedingungen sollten die Pferde zwischen sechs und acht Jahre alt sein“. Konrad ist nun im Juli 2017 drei Jahre und ein paar Monate.

Daher war zu Beginn unserer gemeinsamen Reise mein vorläufiger Plan: Wir machen ein paar Führübungen, somit sollte ein gemeinsames Angehen, Stehenbleiben und Wenden doch bis Herbst möglich sein. Am besten von vorne und in parallel, seitlicher Position geführt.

Ich war nicht vorbereitet auf einen sehr motivierten jungen Mann. Nur sechs Wochen nach seinem Einzug hat mein kleiner Bub bereits einen Kurzbesuch bei unserem Bent Branderup Seminar absolviert. Ob von vorne oder von der Seite geführt, mit ausreichend Abstand und sanften Paraden zum Halten. Alles kein Problem. Am zweiten Tag war mein „junger Hupfer“ zur Beruhigung für einen Kurswiederholungstäter in der Halle mit dabei. Publikum? Ganz egal. Hauptsache ich kratze die richtigen Stellen, dann wirft sich der kleine Nasenbär, äh Lipizzaner sofort in Pose. Geübt hatten wir dafür nicht. Konrad achtet so fein auf mich und ist so neugierig – einfach vorzeigen und er weiß worum es geht.

Ein guter Start beginnt im Kopf

…und natürlich mit einer guten Aufzucht. Wer dazu noch einmal gerne nachlesen möchte, findet hier den Link zum ersten Bericht über meinen Youngster.

Abgesehen von einer guten Aufzucht liegt es an uns, als Ausbilder unserer Pferde Inhalte wohl überlegt und ordentlich zu formulieren. Vermutlich die wichtigste Sache, die ich von Bent Branderup gelernt habe. Es ist eine Sache zu sagen, dass man gerne formuliert, eine andere, wenn man merkt, dass die Sätze und Ideen, die man da so genau ausgearbeitet hat, beim Gegenüber nicht ankommen. Meine beiden Stuten Pina und Tabby haben mich in Punkto Formulierungen doch so einiges gelehrt.

Wenn es nun darum geht, Konrad neue Sachen zu zeigen, hilft mir meine klare Vorstellung der zu erarbeitenden Inhalte enorm. Im Dezember 2009 kam „Tabby“ zu mir. Sie war zwar erst vier Jahre alt, hatte jedoch schon ein paar Erfahrungen mit Reitern „auf dem Buckel“. Und sie hatte bereits eine Meinung. Nicht immer konnte ich sie umstimmen, wenn sie weder an mich, geschweige denn an sich selbst geglaubt hätte. Durch Tabby wurde ich definitiv ein besserer Reiter und Ausbilder, schließlich hat sie mir auch klar und deutlich einen Spiegel vors Gesicht gehalten. Und zwar immer im richtigen Moment.

„Pina“ ist eigentlich immer motiviert aber sie möchte häufig gerne mit einer „über das Ziel hinausschießenden“ Eigeninterpretation auf meine Frage antworten. Es wäre durchaus oft reizvoll, sich mit ihrem Ergebnis zufrieden zu geben – will man allerdings dann später die Hilfen verfeinern, um der ursprünglichen Anfrage wieder gerecht zu werden, erntet man sehr vorwurfsvolle Blicke. Und wenn Pina mal vorwurfsvoll schaut….

Jungpferdeausbildung bedeutet also nicht nur Jungpferdeausbildung. Wir sind die Summe aller unserer Erfahrungen. Konrad lernt also eigentlich auch von Tabby und Pina, die ja auch mich ausgebildet haben. Darum lohnt es sich auch immer wieder darüber nachzudenken welche Stärken man durch den bereits gegangenen Weg erlangt hat. Welche Themen haben uns auf dem Weg geprägt, welche Inhalte können wir besonders gut formulieren und wo brauchen wir möglicherweise auch noch externe Unterstützung?

Dieses Prinzip hat Konrad schon übernommen. Er hat bereits verstanden, dass ein Zeigen und Berühren der Gerte in Position des inneren Schenkels bedeutet: Kopf senken und entspannen.
Vice versa hat er mich auch schon ganz gut ausgebildet – ein Blick reicht und ich kratze die besagte Lieblingsstelle. Man könnte sagen: Ich habe klar formuliert – und er auch.

Wir werden in den nächsten Wochen, wenn es nicht mehr so heiß ist viel spazieren gehen und blödeln. Dualgassen auf dem Rücken herumschleppen, raschelnde Tüten und fliegende Bälle, sowie Teppichmatten und Planen, die über den Rücken gelegt werden. Kein Problem. Suchen wir uns also ein paar Drachen im Wald. 🙂

 

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